»Da klemmt es überall« — wie Ludwigsburger Unternehmen die Krise bewältigen

Wer die Corona-Jahre 2020 und 2021 überstanden hat, den kann nichts mehr erschüttern — sollte man meinen. Dann kam der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Nun sind die Rohstoffe noch knapper und die Energiepreise schießen in die Höhe. Im September 2022 betrug die Inflationsrate zehn Prozent und die Energiepreise stiegen um 44 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Und auch die Covid-Fallzahlen steigen wieder. Die Krisen treffen viele Firmen in der Region hart.


Wie kommt es, dass Ludwigsburger Unternehmen den Kopf nicht in den Sand stecken?

 

Wir haben bei der Betreiberin des »Bubbles Café«, dem Hoteldirektor vom neuen »HARBR. Hotel«, dem Chef von ​​»Eberling Intelligente Gebäudesteuerung« und dem Inhaber der »Bäckerei Lutz« nachgefragt.


Rebecca Wawzyniak

Inhaberin des Bubbles Café, Ludwigsburg

»Ein Café ohne Milch und Zucker: Das geht nicht!« — Rebecca Wawzyniak

Rebecca Wawzyniak versucht positiv zu bleiben. Auch wenn die Lage für die Chefin des Bubbles Café am Ludwigsburger Rathausplatz aktuell nicht leicht ist. Die Energiekosten ihres Cafés seien zwar noch konstant, erzählt sie im Interview. Doch sie weiß bereits, dass ihr Anbieter demnächst den Gaspreis erhöhen wird. 

Viel dramatischer sei die Lage bei vielen Lebensmitteln, die sie für ihr Café bezieht. Hier seien die Preise bereits mehrmals gestiegen in den letzten Monaten. Lange habe sie das geschluckt. Ganze dreieinhalb Jahre habe sie ihre Preise für Produkte wie Café Latte, Quiche und Zimtschnecken konstant gehalten. Doch nun musste sie erhöhen. 

Öl und Milch seien derzeit besonders schwer zu bekommen – und wenn, dann sehr teuer. Neulich konnte ihr Lieferant weder Zucker noch Milch liefern. »Ein Café ohne Milch und Zucker: Das geht nicht!«, kommentiert Rebecca Wawzyniak, die zwischenzeitlich auf andere Anbieter umsteigen musste — oder sogar selbst einkaufen gegangen ist. Manchmal ist sie zwei-, dreimal in die Läden gefahren, bis sie endlich bekam, was sie suchte. Sehr anstrengend und zeitaufwendig!

Personalmangel als größte Herausforderung 

Hinzu kommt der Personalmangel, unter dem die ganze Gastronomiebranche seit Ende der Lockdowns leidet. Die Arbeit im Bubbles Café sei sehr intensiv: die Kuchen, Bagels und der Milchreis werden alle selbst hergestellt. Und seit Covid wird der Kaffee zu den Gäste an den Tisch gebracht, damit sich die Leute nicht so viel im Raum bewegen und sich nicht zu nahe kommen. Früher reichten zwei Bedienungen für den Service im Café, heute braucht Rebecca Wawzyniak mehr Leute. Und dieses Personal sei eben schwer zu bekommen. 

Schon seit einem Jahr will die Inhaberin ihre Öffnungszeiten wieder ausweiten. Derzeit ist von 9 – 15 Uhr geöffnet. Weil alle im Home Office waren, hatten sich die frühen Öffnungszeiten ab sieben Uhr nicht mehr gelohnt. 

Rebecca Wawzyniak wünscht sich, noch mehr Personal zu finden, um das Café im Laufe des Herbstes zumindest von 8 – 17 Uhr öffnen zu können. Einige neue Mitarbeitende hat sie schon gefunden – es dürfen gern noch mehr werden.

Inflation: Gäste werden seltener kommen

Trotz all dem blickt die Cafébetreiberin zuversichtlich auf die nächsten Monate: »Vielleicht kommen die Leute nicht mehr so oft wie zuvor, aber sie werden kommen.« Für viele sei das Bubbles Café trotz der Inflation wie eine kleine Oase, in der sie gern ihren Kaffee trinken gehen. Deshalb wird Rebecca Wawzyniak weiterhin alles tun, um für die Menschen da zu sein und ihnen etwas Positives für den Tag mitzugeben.


Dennis Schmitt

Direktor des HARBR. hotel & boardinghouse, Ludwigsburg

»Wir schauen mit gemischten Gefühlen auf die kommenden Monate.« — Dennis Schmitt

 

19 Grad Celsius: Auf diese Temperatur darf Hoteldirektor Dennis Schmitt die Zimmer im »HARBR. hotel & boardinghouse« nur noch heizen. Das schreibt das neue Energieeinsparungsgesetz vor. Bei dem aktuell warmen Wetter bleibt die Heizung daher oft ganz aus. Das senkt den Energieverbrauch im Hotel vorerst und entspannt die Lage — und somit auch Dennis Schmitt.

In dem 2021 neu errichteten Hotel in der Leonberger Straße nahe dem Ludwigsburger Bahnhof wird mit Fernwärme geheizt. Im ebenfalls zum Unternehmen gehörenden Boardinghouse im Bleyle-Areal mit Gas. Schmitt ist froh, dass mit den Versorgungsunternehmen langfristige Verträge abgeschlossen wurden, sodass es bisher keine Preissteigerungen gab. »Früher oder später werden die aber kommen«, ist er sich sicher.

Lieferanten verlangen Fahrtkostenzulage

So entspannt die Lage im Energiebereich für ihn ist, so angespannt ist sie bei den Rohstoffen: Der Preis fürs Frühstück im Hotel musste im September von 7,90 € auf 9,50 € angehoben werden. Denn Lebensmittel fürs Hotel-Restaurant sind zwar verfügbar, aber es gibt weniger Auswahl und vieles ist teurer geworden. Ganz neu sei auch eine Fahrtkostenzulage, die viele Lieferanten mittlerweile aufschlagen, um ihre gestiegenen Benzinkosten aufzufangen.

Die Lage bleibt also herausfordernd: »Wir schauen mit sehr gemischten Gefühlen auf die kommenden Monate«, befindet Dennis Schmitt im Interview. Die Belegungszahlen des Hotels seien derzeit »ordentlich, wir sind auf einem guten Niveau«. Doch die Gäste buchten heute wesentlich kurzfristiger als noch vor zwei Jahren, weil sie nicht abschätzen können, wie die Lage in sechs bis acht Wochen sei. Daher wünscht sich der Hoteldirektor für die kommenden Wochen, »dass die Buchungszahlen steigen, die Infektionszahlen aber nicht«.

Zimmerservice nur noch alle drei Tage

Der Direktor hat seinem Hotel darüber hinaus Energiesparmaßnahmen verordnet. Die Beleuchtung in öffentlichen Räumen wird aktuell auf Bewegungsmelder umgestellt. Die Lampen gehen dann nur noch an, wenn ein Gast einen Flur betritt, statt immer zu leuchten. Dennis Schmitt erzählt, dass er von Anfang an versucht hat, seine Mitarbeitenden dazu anzuregen, wo es geht, Energie einzusparen.

Auch bei der Reinigung der Zimmer versucht er, Rohstoffe und Kosten einzusparen: Seit Juni 2022 werden die Hotelzimmer nur noch alle drei Tage gereinigt. Das sei eine Reaktion auf den Rohstoffmangel, erklärt der Direktor, und auch aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten entschieden worden.

Was, wenn die Corona-Fallzahlen steigen und es wieder Einschränkungen gibt? »Wir sind vorbereitet«, sagt Dennis Schmitt. »Wir haben alles bereitstehen: Abstandsschilder, physische Barrieren und natürlich Masken. Heute sind wir ganz anders aufgestellt als vor zwei Jahren.«


Marc Eberling

Elektroinstallateur-Meister & Inhaber von Intelligente Gebäudesteuerung Eberling, Hemmingen

 »Da klemmt es überall.« — Marc Eberling

Marc Eberling wünscht sich nichts sehnlicher, als »dass ich mein Material wieder normal bestellen kann«. Aktuell habe er »teils ewig lange Wartezeiten«. Kabel als wichtigstes Arbeitsmaterial eines Elektroinstallateurs seien zwar gut zu bekommen, aber auf Sicherungskästen müsse man teilweise drei bis vier Monate lang warten. Andere Elektronikbauteile hat er bisher immer abends bestellt und am nächsten Tag waren sie da. Nun dauert es rund vier Wochen, bis diese geliefert werden. »Da klemmt es überall«, resümiert Marc Eberling.

Seine Kundinnen und Kunden muss er daher oft vertrösten. Die meisten seien aber verständnisvoll, weil sie selbst überall mitbekommen, dass Waren knapp sind. Doch manche machen auch Druck. Um die langen Wartezeiten auf Bauteile zu verkürzen, hat Eberling nun investiert: »Ich habe mir ein größeres Lager besorgt.« Darin kann er mehr Teile auf Vorrat lagern und seine Kundschaft somit schneller beliefern. 

Benzinkosten verdoppelt, Schulungen nötig

Einfach den Hersteller zu wechseln, wenn etwas nicht lieferbar ist, ist nicht so einfach, weil Marc Eberlings Mitarbeiter auf bestimmte Teile geschult sind. Also schickt der Meister sie aktuell auf Schulungen anderer Hersteller, damit er auch deren Teile bestellen und einbauen kann. Kopfzerbrechen bereiten ihm die derzeitigen Benzinkosten; die seien »krass«. Die Fahrten seiner Mitarbeiter zu den Kund:innen kosteten den Elektroinstallateur bisher rund 800 Euro im Monat. Jetzt zahlt er 1.500 Euro, also fast das Doppelte. »Das werde ich an die Kunden weitergeben müssen«, erzählt er im Interview, »das geht nicht anders.«

Um seinen Mitarbeitenden höhere Löhne zahlen zu können, musste Marc Eberling bereits die Preise seiner Leistungen erhöhen. Und auch die Anfahrtskosten für Reparaturaufträge musste er herauf schrauben, zum Beispiel nach Stuttgart von bisher 17 € auf nun 25 €. Bisher seien solche Maßnahmen von der Kundschaft aber ohne Beschwerden angenommen worden. »Ich glaube, ich bin da noch human«, schätzt Marc Eberling die Lage ein. 

Alle wollen Photovoltaik und Smart Home

Seine Auftragslage sei noch sehr gut, denn »alle wollen jetzt Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und Energiespeicher im Haus haben«. Der Wille zum Energiesparen ist längst bei der Kundschaft angekommen. »Die erste Frage ist oft: Sind das auch alles LEDs, die Sie mir einbauen?«, erzählt Marc Eberling lachend. Intelligente Heizung- und Lichtsteuerungen sind aktuell ebenfalls sehr gefragt: »Früher haben die höheren Preise von Smart-Home-Anlagen viele Kunden abgeschreckt. Heute zahlen sie für bereitwillig die 3.000 Euro mehr dafür.«


Florian Lutz

Bäckermeister & Inhaber der Bäckerei Lutz, Ludwigsburg

»Wir kommen direkt von einer Krise in die andere.« — Florian Lutz

Um fehlende Kundschaft muss Florian Lutz sich keine Sorgen machen: »Mit unseren Umsätzen sind wir zufrieden. Gerade die Wochenenden im Oktober waren dank dem tollen Wetter extrem stark.« Die Bäckerei Lutz habe einen sehr treuen Kund:innen-Stamm – und alle kämen weiterhin gern zum Brot und Brötchen kaufen. »Wir schauen zuversichtlich nach vorn«, sagt Florian Lutz im Interview. Dennoch: Die Krisen sind auch für ihn extrem herausfordernd. »Wir kommen direkt von einer Krise in die andere.«

Die Backöfen in den Backstuben in Remseck verbrauchen jede Menge Erdgas. Nun laufen die Verträge mit dem Versorgungsunternehmen Ende des Jahres aus. Vorausschauend hat Florian Lutz aber bereits im Frühjahr 2022 neue Kontingente bei seinem Gasanbieter eingekauft. Trotzdem zahlt er ab Januar viermal so viel fürs Gas wie bisher. Auf das Jahr gerechnet sind das einige zehntausend Euro mehr.

Mehl um 87 Prozent teurer, Butter um 200 Prozent

Praktisch sei, dass man die Backstuben und Filialen nur wenig heizen müsse. Die Öfen und Maschinen geben viel Wärme ab und die Mitarbeitenden sind körperlich aktiv, sodass wenig Heizenergie nötig ist. Die Energiekrise bereitet dem Inhaber nicht die größten Sorgen. Gravierender sei die Lage bei den Rohstoffen.

Eine Bäckerei braucht große Mengen an Mehl. »Da sind die Preise viel stärker gestiegen«, erzählt der Bäckermeister. Um 87 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Butter sogar um 200 Prozent. »Diese Kosten mussten wir weitergeben und haben unsere Preise bereits im Frühjahr 2022 erhöht«, so Florian Lutz. Für den Rest des Jahres sind keine weiteren Erhöhungen mehr geplant, erst im Januar wieder zum Regelturnus.

Genaue Bedarfsabschätzung, um nicht zu viel Backwaren zu produzieren

Florian Lutz hat sich weitere Maßnahmen überlegt, um die gestiegenen Kosten abzufedern. »Wichtig ist, dass wir bedarfsgerecht produzieren.« Gemeinsam mit seinem Vater macht er daher für die Wochenenden eine sehr detaillierte Bedarfsplanung. Dabei beziehen die beiden das anstehende Wetter, aktuelle Feste, Ferientage und weitere Parameter mit ein, um möglichst genau vorherzusagen, wie viele Gebäckstücke, Kuchen und Brote wohl verkauft werden. »Da gibt es viel Potenzial für Einsparungen«, so Lutz.

Neu ist auch ein »Brotkärtle«, auf dem man je gekauftem Brot Stempel sammeln und diese anschließend als Gutschein in den Filialen einlösen kann. Ende November wird diese Kundenbindungsmaßnahme sogar digitalisiert und als eigene App veröffentlicht. 

Zusätzlich hält Florian Lutz die Mitarbeitenden der Bäckerei dazu an, Energie einzusparen. Etwa indem sie die Öfen und Geräte ordnungsgemäß abschalten und kein Licht unnötig brennen lassen. Personell seien die Filialen leider oft unterbesetzt, aber das sei auch schon vor der Pandemie so gewesen. Immerhin kämen neue Bewerbungen rein, was nicht bei allen aus der Branche der Fall sei.

Einen Wunsch hat Florian Lutz für die kommenden Monate: »Frieden in der Ukraine. Das ist, denke ich, der größte Wunsch von vielen derzeit.«


 

Was ist deine persönliche Herausforderung in der aktuellen Krisenlage? Erzähl es uns in den Kommentaren und auf unseren Social-Media-Kanälen:

 

Veröffentlichung: 29.10.2022
Autorin: Tabea Lerch
Personenbilder: direkt zur Verfügung gestellt
Bild Florian Lutz: Tourismusverband Ludwigsburg